TUNE IN - KULTURVEREIN KAPU

 

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Stephan Roiss - „garage against the machine“

fürn blumi, nightmare als nur raptor für destruktion

„[...] der Leichtsinn wie die Langeweile,
die im Bestehenden einreißen,
die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten,
daß etwas anderes im Anzuge ist.
Dies allmähliche Zerbröckeln,
das die Physiognomie des Ganzen nicht veränderte,
wird durch den Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz,
in einem Male das Gebilde der neuen Welt hinstellt.“

(G.W.F. Hegel)

draußen stehen. halsweh haben. eine rauchen. hie und da geräuschvoll rotz hochziehen. richtung frontalem cortex, dem gefühl nach. tschick in den schnee schnippen. die glut ist kalt. die kälte glüht.
gleich noch eine. shit, war die letzte. sowieso besser so. hab ja halsweh. eine rausgebrüllte seele. und kopfweh vom 100mal schnäuzen. ich knüll die zigarettenpackung zusammen. übermalte anfangsbuchstaben, eingefaltet in einen knödel aus karton. schwarze edding-zacken in der knautschzone. „wilde worte“ zwischen roten fingern.
kettensägen heulen (! !! !) auf, geisterwölfe aus metall. das geräusch kommt von irgendwo da oben, passt nicht hierher, wie eingeklammerte rufzeichen in tapsiger prosa, kettensägen, von der gugl runter, inmitten von nacht und stadt, von dort etwa, schwachsinn oder horror. ich muss mich verhört haben. es hat aufgehört. hört hört. ich denke an schweißnähte und jahresringe, aber das allein ergibt keine geschichte.

hinter mir schwillt der lärmpegel an, innereien der kapu schwappen heraus. gesprächsfetzen, rock und rollkragenpullover. eine kapuze klopft mir im vorbeigehen auf die schulter, „geiler gig!“, sagt ein halbbekannter. „danke. .... gute nacht.“
beiß dir nie wieder auf die lippen, wenn du nach einem auftritt von der bühne steigst. zieh dein ding durch. scheiß dich nicht an. lach dich aus. niemand außer uns hat die fehler registriert. kein schwein hat was gemerkt. und selbst wenn. natürlich war ich heiser und die eine stelle ist – aber das ist fuckin‘ punkrock. nie mehr ziemlich. das leben musst du saufen, alter. wo bleibt fabi mit dem bier.
wie spät ist es eigentlich. wo ist denn, ach ja scheiße, fabi hat mein handy. ach ja, die kirche da, doch zu was gut, zeigt ziemlich zwölf.
im zuge der firmvorbereitung haben wir einen lückentext bekommen. der bestand aus einer liste von sätzen wie: „wenn ich ein tier wäre, wäre ich am liebsten .... , weil .... .“ und wir sollten einsetzen, was uns entsprach. ich weiß nicht
mehr, welches tier ich mit vierzehn sein wollte. delphin wahrscheinlich oder bär. an einen ausgefüllten punktipunktipunktipunkti-satz kann ich mich aber noch genau erinnern: „wenn ich eine uhrzeit wäre, wäre ich am liebsten .... 24:00 .... , weil .... es die zeit für etwas neues ist .... .“ „da bist du!“ laura von links. „wieso hebst du nicht ab?“ „fabi hat mein handy.“

laura und ich haben nicht das beste timing. für meinen geschmack dämpft sie ihre zigaretten zu früh aus. und unsere
worte reiben sich gerne aneinander. schleifpapier bis raspel: „ein schöner weißer hund.“
„na und?“
„genügt das nicht?“
wir wollen einander gar nicht verstehen. unser sex ist eigen willig:
„sag nicht ‚po‘. mein arsch ist kein teletubbie.“
fünf sekunden vor unserem ersten kuss:
„du, ich hasse dich.“
„ich dich auch. ein bisschen.“
was soll man da noch sagen. platt genug.

„wie war das konzert?“ kuss.
„ziemlich gut. den leuten hat es gefallen. wir selbst sind nicht ganz zufrieden. aber scheiß drauf. das ist doch fuckin‘ punkrock, oder.“
sie klopft auf ihre zigarette. aschenkopf fällt.
ich spucke schleim auf flockenmatsch.
„spürst du die kälte?“ fragt sie mich.
auch platt genug.

„lass uns reingehen. ich glaub, fabi ist irgendwo mit meinem bier hängen geblieben.“
ab in die warme höhle. ab in die löwenstube. in dieser abgefuckten hütte haben green day und nirvana gespielt, als sie noch keine sau gekannt hat. ich will es nicht, aber ich bild mir was drauf ein, heute hier auch aufgegeigt zu haben. das ist nicht cool, ich weiß. vor allem, wenn man bedenkt, dass green day relativ gewaltig scheiße ist und nirvana relativ gewaltig überschätzt wird. was solls. etwas in mir ist eben lächerlich. ich bin scheiß mtv.
im slalom durch drei turbojugend-jacken und einen zivilbullen, mein rachen fühlt sich gelb und krank an, als läge ein dünner film citruskotze darüber, laura streicht mir durch die wuschelhaare, breschen schlagen zwischen hiphopheads und hornbrillen, das händchenhalten löst sich, vorbei am flipperautomaten, an zwei dutzend plakaten und einer femi-
nismusdebatte, ein blick nach laura, bierflaschengeklirr, opium für volker, alles ok. überall das behagen in der unkultur und treasures out of trash. ich fühl mich hier daheim und zugleich staut sich die skepsis. diese gegenwirklichkeiten speisen sich aus den mainstreams, nicht weniger als umgekehrt. was wär ich ohne die normalos? der untergrund wird seinen grund nicht los. er tut aber gern so. natürlich ist eigentlich alles ganz anders. natürlich muss man dem denken in gegensätzen etwas entgegensetzen. aber bloß keinen neuen gegensatz. ist aber irgendwie knifflig. fabi sitzt auf dem versifften sofa in der ecke. neben ihm der dicke tontechniker vom vorstadt-juz. da ist mein bier.

laura hätt zwar nix dagegen. die wird nie krank. sagt sie. aber meine erkältung nimmt mir die lust am schmusen. und die nötige luft.
augen zu. der djane lauschen. hundemüde bin ich. hinlegen. mein kopf landet auf lauras oberschenkel. sie streichelt mich.
ich liebe es, wenn lilli auflegt. sleater-kinney, kayo & phekt, tumido. drei burner in folge. namedropping mag ich auch. bei nummer vier steht laura vorsichtig auf, schiebt mir ihre jacke unter den kopf, küsst meine stirn, verschwindet in der menge. ich penne ein. das letzte, was ich höre, ist ein gediegener brachio-rülpser von fabi. in bester bassistenmanier.

später auf dem weg zum klo – „hey – fein wars!“, prost-prost mit leo von der kunstuni und der delilah-gitarristin –
treff ich laura wieder. wir blödeln rum, bis der harndrang zu groß wird, dann spielen wir unser klospruch-spiel. sie ist
schneller fertig als ich. beim schnäuzen hab ich zeit verloren. sie wartet schon auf mich.
„turbopisserin.“
„einschleimen hilft dir gar nix. was hast du für mich?“
ich räuspere mich und lege mit theaterstimme los:
„die tiger des zorns sind weiser als die pferde der belehrung.“
„erstens: das ist ein alter hut.“
„aber ein guter hut.“
„naja, nicht übel.“
„und zweitens?“
„die rosse der vernunft.“
„was?“
sie setzt ihre akademikerinnen-stimme auf:
„ich persönlich bevorzuge die übersetzung: ‚die tiger des zorns sind weiser als die rosse der vernunft.‘ das hat phonetisch einfach mehr .... eier.“
ich lache.
„sehr androzentrische metapher.“
sie grinst, senkt den kopf, sagt lange nix.
?
schließlich:
„la tristesse durera toujours.“
„bitte?“
„das war mein klospruch. van gogh glaub ich.“
„ich verstehe kein französisch.“
als ob sie das nicht wüsste. und van gogh, der war doch niederländer.
sie legt mir eine hand auf die brust und versucht zu (! !! !)
lächeln.
what the?
sie zieht die hand ab, dreht sich um und verschwindet in den ersten stock.
was zur hölle?
„laura?“
what the fuck.

war wohl noch nicht platt genug.

noch eine stunde hinter mitternacht. die kapu speit mich aus. halbwegs besoffen und irgendwas wie wütend. durchgebrannte rosse der vernunft. für mich ist diese nacht vorbei. gutes konzert unterm strich. gutes konzert. gutes konzert. mit zerzausten haaren stapfe ich durch fremde gärten nach hause. solo mineralisch. nein, ich spüre die kälte nicht. ja, mir ist kalt. und ja, klugscheißerin, da ist ein unterschied.